“Aida” in Stralsund
Am Samstag haben Sashi und ich uns ein wenig Kultur gegönnt. Im Stralsunder Hafen lief “Aida” von Giuseppe Verdi. Um 20.30 Uhr sollte es los gehen. Wir sind schon ein paar Stunden früher nach Stralsund gefahren und haben uns die Zeit mit einem Bummel durch die Stadt nach allen Regeln der touristischen Kunst um die Ohren gehauen.
Die Oper – selbstverständlich komplett in italienischer Sprache – wurden auf einem alten Kutter, der “Ursula B” aufgeführt. Angelegt im Stralsunder Hafenbecken bildete er die Bühne während sich die Zuschauertribüne auf dem Hafengelände befand.
Die Seebühne in Stralsund - auf dem Schiff die Bühne
Die Oper an sich war sehr schön. Die im Orchestergraben verschanzten Musiker machten Ihre Sache – soweit ich als Laie das einschätzen kann – sehr gut. Lustig anzusehen war der asiatische Dirigent. Hopsend und hampelnd hatte man stets Angst, er würde das Untertitellaufband umreißen. Die Handlung war zwar leicht kitschig, aber die Inszenierung war sehr gelungen. Besonders die kriegerischen Szenen fand ich nett. (Ich stelle übrigens nicht erst das erste Mal fest, dass ich einen Hang zu martialischen Musikstücken habe. Persönliche Notiz: Mehr Wagner hören.)
Als ein wenig störend fand ich die sinnentlehrten Tanzszenen. *gähn* Besonders peinlich war der Auftritt einer Horde von schwarz angeschmierten Kindern, die tollpatschig hüpfend über die Bühne flitzten. Was soll das bitte? “Kleine tanzende Negerkinder” sind weder witzig, noch politisch korrekt. Der Fakt, dass die wohl auch noch Sklaven darstellen sollten, ist besonders perfide. Solchen Quatsch das nächste Mal bitte unterlassen, lieber Anton Nekovar!
Blick auf das Bühnenbild
Typisch für Stücke dieser Art: Es wurden wieder einmal nur die Herrschenden gezeigt. Die königliche Familie nebst Priestern und Sklaven waren Mittelpunkt des Stücks. Von Sklaven und einfachen Menschen keine Spur (wenn man von hüpfenden Mohrenkindern absieht). Ich könnte mir vorstellen, dass die ägyptischen Arbeiter ganz andere Probleme als unerwiderte Liebe hatten. Vornehmliches Interesse stellte bei ihnen wohl das nackte Überleben dar. Aber wahrscheinlich wollte Verdi sein Publikum nicht unnötig mit solchen “Trivialitäten” irritieren.
Zu seinem 50. Todestag muss ich deshalb einmal Brecht zitieren:
Wer baute das siebentorige Theben?
In den Büchern stehen die Namen von Königen.
Haben die Könige die Felsbrocken herbeigeschleppt?
[...]
Selbst in dem sagenhaften Atlantis
brüllten in der Nacht, wo das Meer es verschlang
die Ersaufenden nach ihren Sklaven.
[...]
Jede Seite ein Sieg.
Wer kochte den Siegesschmaus?
Alle zehn Jahre ein großer Mann.
Wer bezahlte die Spesen?
So viele Berichte.
So viele Fragen.
aus: “Fragen eines lesenden Arbeiters“
Was besonders positiv auffiel, war der Studentenrabatt. Statt 27 Euro für einen Platz in unserer Sitzkategorie, zahlten wir nur je 17 Euro. Von dieser Studenten/Azubi-Freundlichkeit können sich andere Veranstaltungen mal eine Scheibe abschneiden. Nicht nur deshalb ist dieses kulturelle Event eine Empfehlung wert. Aber Achtung: Warm anziehen! Der Wind pfeift ganz schon kalt über den Sund…